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HIER SPRICHT KÄPT’N BLAUBÄR

Ein Kommentar zum Sommerinterview und zur Klimapolitik von Premierminister Bettel.

Seit nunmehr 6 Jahren ist Xavier Bettel Premierminister. Bettels Politikstiel erinnert irgendwie an jenen Gerhard Schröders’: Regieren muss verdammt noch mal Spaß machen. Selfies mit den Mächtigen statt „Cohiba“-Bilder, Schal statt Brioni-Anzug, das Ganze nur noch mit mehr Freude gesalzen und der absoluten Absenz politischen Handelns verfeinert, fertig ist die Methode Bettel.

Das Untertauchen Bettels während der heißen Phase des Wahlkampfes 2018 war wohl die Krönung dieses Stils der politischen Debatten- und Verantwortungsverweigerung. Aber auch das diesjährige Sommerinterview sowie sein Handeln in der Klimapolitik sind Paradebeispiele des Bettelismus.

Das Sommerinterview fand auf dem Spielplatz der Bonneweger Grundschule statt. Ein Heimspiel für Bettel, denn der Legende nach soll die Errichtung dieses Spielplatzes auf das Verhandlungsgeschick des zehnjährigen Bettels zurückgehen, der diesen der damaligen Bürgermeisterin abtrotzte. In den letzten sechs Jahren verging kein Interview, in dem der Staatsminister nicht auf diese Spielplatzlegende hinwies. Diese Legende soll für sein starkes politisches Handeln stehen, das auch messbare und aufweisbare Veränderungen mit sich bringt.

Doch wie lange kann ein Premier auf sogenannte Verdienste seiner Jugend oder Kindheit verweisen, um politisches Handeln vorzutäuschen, wenn er in seiner aktuellen Rolle als Premier dieses Landes jedwede Verantwortung von sich weist? 

Die Verantwortungsflucht

Anders als sein Vorgänger Juncker, der die größte soziale Baustelle im Land, den Wohnungsnotstand, noch zur Chefsache erklärt hatte, hat Bettel es zum wiederholten Mal in diesem Sommerinterview strikt abgelehnt irgendein Dossier zur Chefsache zu erheben. „Chefsache, das klingt gut (…) ändert aber nichts“, so die Begründung Bettels.

Bettel vergisst jedoch, dass wenn er sich doch endlich irgendeinem politischen Dossier annehmen würde, es ein klares Zeichen wäre, dass er endlich gewillt wäre die politische Verantwortung, die mit seinem Posten einhergeht anzunehmen. Und zwar jene politische Verantwortung für die er tagtäglich auf der Rückbank eines Mercedes durchs Land kutschiert wird.

Die Klimawitzfigur: PR Ja; Verantwortung Nein!

Am 20. Mai 2019, hatten Premier Bettel und Finanzminister Gramegna den Stammeschef Raoni aus dem Amazonas empfangen und versprachen medienwirksam 100.000 Euro an öffentlichen Geldern für den Erhalt des Regenwalds zu spenden, so weit so gut.

Versprochen wurden die 100.000 Euro jedoch der „Association Forêt Vierge“. Einem zwielichtigen Verein bei dem nicht klar ist ob die Gelder wirklich dem Erhalt des Regenwaldes zugutekommen, wie „Le Monde“ nur 9 Tage vorher berichtete. Ein Umstand der die beiden Ministern wohl irgendwie ausblendeten, kam dieser Fototermin doch wie gerufen. Kurz nach den ersten Klimademonstrationen in Luxemburg und kurz vor den Europawahlen versuchten die Liberalen schnell noch kurzerhand ihre Klimaaffinität zu beweisen. Der Zweck heiligt hier wohl die Mittel, respektive verhinderte er, hier einen gründlichen Backgroundcheck vor diesem Fototermin.

Grundlegend rettet man weder mit 100.000 Euro den Regenwald, noch täuscht man darüber hinweg, dass unser Ressourcenverbrauch ohne Rücksicht auf spätere Verfügbarkeit voranschreitet. Am 16. Februar 2019 hatten wir Luxemburger statistisch schon die Ressourcen aufgebraucht, die uns im Jahr 2019 theoretisch zur Verfügung gestanden hätten. Nur Katar konnte uns in dieser Statistik noch toppen. Ein Hauptverantwortlicher einer solchen katastrophale Bilanz ist zweifelsohne der politische Primus, hat er doch die besten Möglichkeiten diesen Ressourcenverbrauch zu bremsen.

Die geballte Klimakompetenz des Premiers offenbarte sich dann im Meeting mit „Youth for Climate Luxembourg“, wo er die Jugendliche beruhigen wollte, dass doch alles nicht so schlimm wäre – der Privatmann Bettel hätte sich schließlich eine Joghurtmaschine zugelegt. Respekt, der Privatmann Bettel hat somit schon mehr in Punkto Klimaschutzt erreicht, als der Premier Bettel!

Als Premier geht Bettel auch den Klimanotstand nicht an. Bettel beschränkt sich auf billige Fototermine, bei denen er sich den Klimafrieden erkaufen möchte, oder auf Verweise auf sein persönliches Verhalten. Ein jegliches Gefühl von Verantwortung für die katastrophale luxemburgische Klimabilanz? Auch hier Fehlanzeige!

Dieses Ablehnen jeglicher politischen Verantwortung in den bedeuteten politischen Dossiers dieses Landes, ist jedoch ein künstliches Verkleinern der politischen Rolle und Bedeutung eines Premiers. Im Endeffekt ist es aber vor allem auch eine Flucht. Eine Flucht vor der eigenen Verantwortung!

Der falsche Soziale

Um ein weiteres Auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich zu verhindern möchte Bettel die Sozialhilfen erhöhen. Eine Erhöhung der Almosen für die Armen wird jedoch weder die Ursachen bekämpfen noch die Symptome auf Dauer lindern und in gar keinem Fall den allgemeinen Trend brechen.

Um wirklich zu verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderdriftet, müsste man hin zu mehr Steuergerechtigkeit gehen. Ein guter Ansatz hierbei wäre zweifelsohne eine Anpassung der Kapitalbesteuerung an die Arbeitsbesteuerung. Es kann doch nicht sein, dass ein Premier der wirklich die Spaltung zwischen Arm und Reich bekämpfen will nicht über solche Maßnahmen nachdenkt. In Luxembourg bezahlt man fünfmal mehr Steuern auf 50.000 Euro Arbeitseinkommen als auf 50.000 Euro Kapitalerträgen, ein Zustand der das Auseinanderdriften der sozialen Verhältnisse nur weiter anheizt und als Brandbeschleuniger dient.

Da wären wir also bei den Steuern und der Gerechtigkeit. Jener Gerechtigkeit die laut Bettel sein Hauptanliegen sei. Gerade die liberalen Kabinettsmitglieder aus Bettels Partei hinken bei einer teilweisen Wiedereingliederung der Gerechtigkeit in unser Steuersystem erstaunlicherweise meilenweit zurück.

Finanzminister Gramegna, soll seit letztem Dezember die Schließung der FIS-Steuernische und die damit einhergehenden Missbräuche durch die nationalen Immobilien-Tycoons eigentlich unterbinden. Doch bis heute wartet man vergeblich auf eine Andeutung des Finanzministers. Somit können also die Nutznießer unseres nationalen Wohnungsnotstands weiter unter 1% an Steuern bezahlen, während tausende brave luxemburgische Steuerzahler zunehmend an der ausufernden Last ihrer Wohnungskosten zu Grunde gehen. Finanzminister Gramegna denkt lieber über ein weiteres Herabsetzen der „Tax d’abonnement“ der „Fund Industry“ nach und über die Konkurrenzfähigkeit unseres Steuersystems, als die großen Gerechtigkeitslücken unseres Steuersystems zu schließen.

Man wird den Eindruck nicht los, dass Bettel gerade dabei ist den Begriff der Gerechtigkeit ganz neu auszulegen. Es scheint wohl gerecht zu sein, dass die Reichen immer reicher werden, ihre Steuerlast fast komplett verschwindet und die die nicht mehr mithalten können einfach neue Sozialhilfen beantragen sollen, oder, noch einfacher, mehr arbeiten sollen. Eine äußerst komische Auslegung des Begriffs Gerechtigkeit!

Der Grüßaugust

Doch welche Rolle übt der Premier aus, wenn es nicht die des politischen Leaders dieser Regierung ist?

Bettel hat die Rolle des Premiers neu definiert. Repräsentieren und delegieren statt regieren und Verantwortung übernehmen. Die politisch heißen Eisen werden den jeweiligen Ressortminister überlassen, während Bettel sich in der Rolle des repräsentativen Funktionärs wiederfindet und ergötzt. 

Diese Rolle hat er so perfektioniert, dass er ganz nebenbei auch noch den Großherzog als Grüßaugust der Nation abgelöst hat.

©AP

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