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„Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und
was soll ich kochen.“[1]

Mit diesem zutiefst widerlichem, sexistischem Spruch, probierte das deutsche Unternehmen Dr. Oetker in den 1950er im Ernst den Fertigpudding an die Frau(en) zu bringen. Was heute völlig zu Recht in einem Skandal enden würde, war vor 70 Jahren noch wirtschaftlich ergiebiges Marketing. Eine Werbung also, die durch den wirtschaftlichen Erfolg des Produkts, das heute noch in fast jedem Supermarkt in Luxemburg zu finden ist, das mittelalterliche Gesellschaftsbild jener Tage wiederspiegelt.

Doch wie konnte eine solche kranke patriarchale Gesellschaft existieren? Ein Blick in die luxemburgische Gesetzgebung jener Tage lohnt sich, um dieses zutiefst ungerechte Gesellschaftsmodell, das wir gottseidank teilweise hinter uns gelassen haben, besser verstehen zu können.

Am 8. Mai 1919 stimmte das luxemburgische Parlament für die Einführung des allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts für Männer und Frauen. 1919 wird mit Marguerite Thomas-Clement die erste Frau ins Parlament gewählt. Auch wenn das Parlament im Jahre 1956 in einem Antrag festhielt: „La Constitution luxembourgeoise ne connaît aucune disparité de sexe devant la loi entre l’homme et la femme luxembourgeoise“, war diese Erklärung das Papier nicht wert auf dem sie festgehalten wurde und schlicht und einfach sowohl politischer wie juristischer Mumpitz. 

Trotz politischer Gleichstellung blieben die verheirateten Frauen zivilrechtlich komplett unmündig.

Während in England, Deutschland, Italien und der Schweiz, die Unmündigkeit der verheirateten Frau bereits in den 1950er Jahren Geschichte war[2], hielt der luxemburgische Gesetzgeber an ihr fest. Zutiefst abstoßende Paragraphen, wie zum Beispiel: „La femme est obligée d’habiter avec le mari et de le suivre partout où il juge à propos de résider.“[3] „La femme ne peut (…) acquérir sans le concours du mari.“[4] „Le mari administre seul les biens de la communauté. Il peut les vendre, aliéner et hypothéquer sans le concours de la femme.“[5], zierten unseren Code civil.

Reform des Eherechts

Die juristische Lesart dieser Artikel ist klar: die Frau braucht Schutz, und dieser gebärt ihr, ihr Vormund, ihr Ehemann. Die Frauen standen somit gesetzlich wie gesellschaftlich auf einer Ebene mit den Unmündigen und geistlich Verwirrten unserer Gesellschaft. Dieser gesellschaftlich beschämende Zustand, der gemeinhin als „régime de l’incapacité de la femme mariée“ bezeichnet wurde, bestand noch bis in die 1970er Jahre, bis der damalige Justizminister, Robert Krieps, eine Reform des Eherechts durchboxte[6].

Der Allgemeine Deutsche Frauenverein forderte schon bei seiner Gründung, im Jahre 1865: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. In Luxemburg wurde diese natürliche Selbstverständlichkeit erst mit der großherzoglichen Verordnung vom 10. Juli 1974 in die juristische Realität umgesetzt. Seit dem Tag sind die Arbeitgeber eigentlich verpflichtet, für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein gleiches Entgelt zu gewährleisten. Ein weiterer juristischer Meilenstein war das Gesetz vom 8. Dezember 1981, das die Gleichstellung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung, Ausbildung und beruflicher Beförderung sowie der Arbeitsbedingungen festhielt.

Am 13. Juli 2006 wird das Prinzip der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Artikel 11 (2) der luxemburgischen Verfassung verankert: „Les femmes et les hommes sont égaux en droits et en devoirs.“[7] 53 Jahre nach der Bundesrepublik Deutschland[8] wurde also auch endlich in Luxemburg auf höchster legislativer Ebene einer Selbstverständlichkeit Rechnung getragen.

Auch wenn diese juristische Gleichstellung der Geschlechter Jahre in Anspruch genommen hat und seit 2006 größtenteils abgeschlossen scheint, existieren immer noch in der Realität gravierende Ungerechtigkeiten, die wir alle zusammen, Frauen und Männer, bekämpfen müssen!

Ein endloser Kampf

Besonders interessant ist, dass der schon erwähnte Artikel 11 (2) der luxemburgischen Verfassung noch einen Zusatz enthält, „L’État veille à promouvoir activement l’élimination des entraves pouvant exister en matière d’égalité entre femmes et hommes“, welcher die Vorreiterrolle des Staates in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männer untermauern soll. Dieser Rolle wird der luxemburgische Staat leider nicht gerecht. 52% der luxemburgischen Staatsdiener haben das weibliche Geschlecht. Doch nur 27% der Führungsposten innerhalb des Staatsapparates werden aktuell von Frauen bekleidet.[9] In der luxemburgischen Wirtschaft ist der Zustand noch verheerender, in den Verwaltungsräten der größten börsennotierten luxemburgischen Unternehmen sind nur 12,7% der Mitglieder Frauen[10].

Nicht nur in den Entscheidungsgremien sind Frauen schlechter vertreten, auch in Sachen Einkommen ziehen die Frauen leider immer noch den Kürzeren. Das jährliche Einkommen einer Frau liegt im Durchschnitt in Luxemburg immer noch 32,5% unter dem Einkommen eines Mannes[11]. Dies ist sowohl auf niedrigere Stundenlöhne, weniger Arbeitsstunden und die bei Frauen geringerer Beschäftigungsrate zurückzuführen, da Frauen viel öfters als Männer ihre Berufskarriere unterbrechen um sich um ihre Liebsten zu kümmern, seien es die Eltern oder die Kinder.

Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass der Kampf für Gleichberechtigung noch lange nicht beendet ist, und wir alle, Frauen und Männer, ihn weiter bestreiten müssen, auch wenn er uns manchmal endlos scheint, denn wie schrieb dir Frauenrechtlerin Hedwig Dohm im Jahre 1896:

„Man kommt sich auf dem Gebiet der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor. Das liegt an der Taktik der Gegner“.



[1] Dr. Oetker Werbefilm “Wenn mans eilig hat” mit Frau Renate 1954

[2] Audience solennelle du 23 septembre 1954, Discours de Monsieur le Procureur Général d’État, Felix Welter « A propos du cent-cinquantième anniversaire du code civil », p. 17

[3] Art. 214 Code civil en vigueur jusqu’en 1972

[4] Art. 217 Code civil en vigueur jusqu’en 1972

[5] Art. 1421 Code civil en vigueur jusqu’en 1972

[6] Loi du 12 décembre 1972 relative aux droits et devoirs des époux, qui a introduit l’égalité entre les conjoints mariés et la loi du 4 février 1974 qui a réformé les régimes matrimoniaux.

[7] Article 11, paragraphe (2) de la Constitution

[8] In Deutschland wurde der Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ schon am 23. Mai 1949 in das Grundgesetz aufgenommen, dies vor allem dank der Anwältin und Abgeordneten Elisabeth Seibert.

[9] Chiffres clés de l’emploi dans la Fonction publique de l’État, page 18 

[10] Gender Equality Index, Power in Luxembourg for 2019

[11] The gender pay gap in Luxembourg, European Comission 


Tageblatt: https://www.tageblatt.lu/headlines/was-anziehen-und-was-kochen-so-sexistisch-war-marketing-vor-70-jahren/

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