Antwort auf den Artikel “Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen” von Henri Kox
Die Preise für Wohnungen steigen nicht etwa bloß, sie explodieren förmlich; allein im letzten Jahr errechnete das nationale Statistikamt einen Preisanstieg von + 16,7 %! Bei einem Weiterführen der „laissez-faire“ Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte wird eine Immobilie, die Heute, im Jahr 2021 schon 1 Million Euro kostet, im Jahr 2031, also in 10 Jahren, unglaubliche 4,6 Millionen Euro kosten.
Dies ist die nackte Wahrheit, die sich hinter diesen Statistiken verbirgt und ein Horror Szenario für die Zukunft unseres Landes vorzeichnet! In Anbetracht dieser Zahlen steht jede/r politische Entscheidungsträger/in vor der Wahl: Ein “Weiter so”, mit den beschriebenen Folgen oder, endlich politischen Mut aufbringen und handeln.
Unbeeindruckt von der sich zuspitzenden Wohnungskrise und des sich aufbäumenden Wohnungsnotstands hierzulande, ordnet der Wohnungsbauminister derweilen seinen veralteten legislativen Baukasten neu. Einige Bauklötze werden modernisiert, andere oberflächlich poliert, ohne dabei fundierte Neuausrichtungen zu unternehmen oder etwa, ganz verrückt, neue Bauklötze hinzuzufügen.
Im Namen unserer Generation, und der nachkommenden Generationen, verlangen wir vom Wohnungsbauminister und der aktuellen Regierung endlich Nägel mit Köpfen zu machen und angemessen zu reagieren. Die Maßnahmen müssen der sich zuspitzenden Wohnungssituation gerecht werden, diese vorausschauend und nachhaltig eindämmen und vor allem schnell greifen!
Das „billige“ Geld
Nur „billiger“ als das Geld auf den Kapitalmärkten erscheint uns aktuell die Argumentation mit der sich die politisch Verantwortlichen ihrer politischen Verantwortung zu entziehen versuchen. Sinnbildlich für diese Flucht vor der eigenen politischen Verantwortung steht der Artikel “Aus Fehlern der Vergangenheit lernen” geschrieben vom Wohnungsbauminister und vorletzte Woche in dieser Zeitung erschienen.
Mit Verweis auf die Kapitalmärkte schrieb der Wohnungsbauminister: „die Immobilienpreise werden jedoch auch durch ein Übermaß an billigem Geld und günstigen Hypothekenkrediten getrieben“[1]. Eine richtige Einschätzung der es aber an politischem Mut fehlt und symptomatisch für die aktuelle „laissez-faire“ Attitüde ist. Die Quintessenz dieser Argumentation lässt sich auf folgende Schlussfolgerung reduzieren: “die europäische Geldpolitik wird uns von Frankfurt aus diktiert, wir als kleines Luxemburg können nichts unternehmen, wir sind machtlos”.
Doch, auch wenn Geld billig ist, muss man nicht jedes Geld auf dem Luxemburger Immobilienmarkt willkommen heißen oder gar anziehen. In der Schweiz wurde beispielsweise, durch die sogenannte Lex Koller, der Ankauf von Immobilien und Baugrundstücken, für Investoren aus Drittstaaten stark eingeschränkt. In Luxemburg müsste, ein ähnliches Gesetz dafür sorgen, dass Investoren aus fernen Ländern den Luxemburger Immobilienmarkt nicht als Geldanlage missbrauchen können. Wenn Familien es immer schwieriger haben, hier in Luxemburg, eine angepasste Wohnung zu finden; parallel Oligarchen jenen Familien die Immobilien vor der Nase wegschnappen, dies nur um ihr Privatvermögen von 8 Millionen auf 12 Millionen aufzupäppeln, ja dann haben wir ein Problem.
Auf dem Luxemburger Immobilienmarkt müssen die Menschen, die auf der Suche nach einem Zuhause sind, Vorrang haben. Dies vor all jenen die nur die nächste Investitionsmöglichkeit suchen um ihre Profitgier befriedigen zu können. In Luxemburg gibt es für uns ganz klar ein moralisches Recht auf Wohnen; ein Recht mit dem Zuhause Anderer zu spekulieren darf es nicht geben!
Darüber hinaus sollten steuerliche Anreize überarbeitet werden. Der sogenannte „Taux d’amortissement accéléré“ ist ein steuerlicher Anreiz der Investitionen in den Wohnungsmarkt noch attraktiver gestaltet und damit für viele Investoren ein weiteres Kaufargument[2]. Dieses Prozedere führt gleich zu zwei Nachteilen für Privatpersonen, die auf der Suche nach einem Zuhause sind. Einerseits wird es schwieriger sich eine Wohnung kaufen zu können, da Privatpersonen selten mit der Kaufkraft von Großinvestoren mithalten können. Andererseits verteuern sich die Mieten, da ein weiterer Profit-suchender zwischengeschaltet wird. Diese steuerlichen Anreize, für Personen, die nicht des Wohnens, sondern nur des Geldes wegen in Immobilien investieren, müssen schnellstmöglich abgeschafft werden.
Ein Alibi-Pakt
In Sachen Pacte Logement wurde aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die Version 2.0. ist besser als ihr Vorgänger. Ein großer Fehler jedoch wäre es zu glauben, dieser Pakt würde die Wohnungskrise alleine bremsen; hier liegen Ambition und Realität meilenweit auseinander.
Dieser Pakt ist wichtig um mehr Wohnungen in den Besitz der öffentlichen Hand zu bekommen. Aktuell ist die öffentliche Hand eher Zuschauer als Akteur. Um die Wohnungskrise jedoch abzufedern, brauchen wir einen starken öffentlichen Akteur, der die Interessen der Allgemeinheit vor privates Profitbestreben stellt und so sicherstellt, dass alle Bewohner dieses Landes, und jene die es werden wollen, ein angepasstes und erschwingliches Wohnungsangebot vorfinden.
Wir glauben dem Minister, dass dieser Pakt ermöglichen soll, dass “auch die zukünftigen Generationen in den Genuss von erschwinglichen Wohnungen kommen”. Wir müssen aber unterstreichen, dass die Umsetzung des Pacte Logement Zeit und Geduld verlangt. Zeit die wir jedoch wegen der dramatischen Preisanstiege nicht haben und Geduld die, da es um unser zukünftiges Zuhause geht, wir nicht aufbringen können.
Ein richtiger Pakt würde auch den Privatsektor mit einschließen. Ein “Fehler der Vergangenheit” ist mit Sicherheit, dass der Staat versucht, das Problem des Wohnungsmarktes in Eigenregie zu lösen. Dabei besitzt der Staat nur 9 % der bebaubaren Grundstücke hier im Land. Aus der Vergangenheit lernen heißt somit auch endlich mit der Privatinitiative zusammenzuarbeiten. Langwierige Prozeduren müssen der Vergangenheit angehören, die privaten Bauträger müssen Teil einer großen nationalen Wohnungsbaustrategie sein. Während die staatlichen Bauträger an ihre Grenzen stoßen, warten private Akteure nur darauf, endlich bezahlbaren Wohnraum, mit der finanziellen Unterstützung des Staates, zu errichten.
Eine Niete Namens Mietgesetz
“Der Wandel unserer Lebensgewohnheiten und der Mangel an Wohnraum erfordern, dass wir über neue Wege nachdenken”, philosophierte H. Kox. Mieten könnte ein solch “neuer” Weg sein. Doch der aktuelle Gesetzesvorschlag von Minister Kox macht mieten nicht attraktiver als Erwerben.
Derzeit dürfen Vermieter maximal 5 % ihres investierten Kapitals pro Jahr als Miete verlangen. Das ökonomische Fundament dieser Regelung liegt im Jahre 1955! Im neuen Gesetzesvorschlag von Minister Kox steht hierzu einfach nur “il est utile de maintenir la règle du plafond du loyer annuel fixé à 5% du capital investi”.
Man muss wohl nicht besonders in der Wohnthematik bewandert sein, um verstehen zu können, dass Regelungen, die vor knapp 70 Jahren eingeführt wurden um eine Maximalmiete festzulegen und auf den damaligen ökonomischen Gegebenheiten fußten, heute hinterfragt werden müssen. Wir brauchen einen Reformprozess des Mietgesetzes, der aufbauend auf Wirtschaftswissenschaftlichen Kriterien, des 21. Jahrhunderts (!) und nicht von 1955, diese Maximalmiete neu festlegt.
Parteiübergreifende politische Mehrheiten
Auch wenn diese Anpassungen nicht exklusiv in den Kompetenzbereich des Wohnungsbauministers fallen, trägt der Wohnungsbauminister doch die politische Verantwortung für die gesamte Situation des Logement hier in Luxemburg, und somit auch die Verantwortung für die Wohnungskrise. Aus dieser politischen Verantwortung heraus muss der Wohnungsbauminister politische Mehrheiten, Parteiübergreifend organisieren, und somit in der Wohnungsfrage die Verantwortung übernehmen.
Die Schuldfrage ist in dem Kontext eher zweitrangig, wichtig ist jetzt, dass endlich entschlossen gehandelt wird; jede Partei und jeder Politiker muss hier klar Farbe bekennen.
Wer steht auf der Seite der aktuellen und zukünftigen Generationen, die doch nur den Wunsch haben, sich ein Zuhause in Luxemburg leisten zu können? Wer steht auf der Bremse und wer will diese Krise endlich anpacken?
Max Leners, Mitglied der LSAP Parteileitung & Ben Streff, Präsident LSAP-Osten
[1]« Aus Fehlern der Vergangenheit lernen“, Henri Kox, Luxemburger Wort, 10/11 April 2021, S. 12.
[2] Siehe « Le logement en chiffres au quatrième trimestre 2020 », STATEC, April 2021, S.14.