Im Jahr 2016 kaufte in London eine 21-jährige berufsuntätige, unvermögende Studentin eine 5,2 Millionen Euro Immobilie in bester Lage. Der Kauf wurde komplett aus Eigenmitteln finanziert und es wurde kein Kredit aufgenommen. Zu ihrem ebenfalls unvermögenden Vater hat die junge Frau kein Kontakt, ihre Mutter, Svetlana POLYAKOVA, ist ebenfalls berufsuntätig und verfügt auch über kein nennenswertes Privatvermögen – unterhält aber seit Jahren eine inoffizielle Liebesbeziehung zum russischen Außenminister Sergeij LAVROV.[1]
Der Aufschrei in Großbritannien war groß, als dieser Immobilienerwerb, Ende Februar 2022, bekannt wurde. Die britische konservative Innenministerin Priti PATEL gab zu Protokoll „Time is up for Putin’s cronies hiding dirty money in the UK”[2] und begründete so eine schnellere Verabschiedung des sogenannten „Economic Crime (Transparency and Enforcement) Bill“ der am 15. März 2022 in Kraft trat.[3]
Dieser „Economic Crime Bill“ beinhaltet zwei, auch für Luxemburg, äußerst interessante legislative Anpassungen. Erstens müssen die Hintermänner ausländischer Unternehmen, welche Immobilien im Vereinigten Königreich besitzen, ihre Identität in einem Immobilienregister offenlegen. Wird diese Transparenzregel nicht respektiert, muss der Unternehmer mit strengen Beschränkungen beim Verkauf der Immobilie(n) rechnen, und kann mit einer Geldstrafe von bis zu 2.500 £ pro Tag oder bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Eine solche Transparenz kann das luxemburgische „Registre des Bénéficiaires effectifs“ leider nicht erfüllen und somit wäre ein solches Immobilienregister auch in Luxemburg wünschenswert. Zweitens sollte ein genauer Blick auf die Reform des sogenannten „Unexplained Wealth Order“ („UWO“) geworfen werden, denn ein solcher sollte auch für die luxemburgische Staatsanwaltschaft ein interessantes, notwendiges Ermittlungswerkzeug darstellen.
Ein „Unexplained Wealth Order“ ist ein Ermittlungsinstrument, das den britischen Behörden, seit 2018[4], zur Verfügung steht. Durch einen solchen „Order“ können Einzelpersonen verpflichtet werden, den Behörden die Herkunft ihres Vermögens offen zu legen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Diskrepanz zwischen dem bekannten legalen Einkommen einer Person und dessen Vermögenswerten besteht. Um die Person zu einer solchen Auskunft verpflichten zu können, müssen die Behörden einen Antrag auf Erlass eines solchen „Unexplained Wealth Order“ beim High Court stellen. Das hohe Gericht kann eine solche Anordnung nur erlassen, wenn die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind: Erstens, die Person, gegen die der Antrag gestellt wurde, ist eine politisch exponierte Person außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums oder es besteht der begründete Verdacht, dass die Person in schwere Straftaten verwickelt ist oder war. Zweitens, das bekannte Einkommen der Auskunftsperson reicht nicht aus, um den Vermögenswert zu finanzieren. Und zu guter Letzt, muss der Vermögenswert, auf den sich die Informationsauskunft beziehen soll, über 50.000 £ liegen. Diese drei Kriterien stellen sicher, dass das Rechtsstaats Prinzip zu jedem Moment gewahrt wird und es sich um eine ausbalancierte Umkehr der Beweislast handelt.
Die „Unexplained Wealth Orders“ wurden bisher in Großbritannien nur in begrenztem Umfang eingesetzt. So wurde bis Februar 2022 nur neunmal, und dies in vier verschiedenen Fällen, solche „Orders“ eingeholt[5]. Dies lag vor allem daran, dass sich die Gesetzesbasis ab 2019 als unzureichend herausstellte und ein missglückter Einsatz exorbitante Kosten für die Allgemeinheit haben konnte.
Im Jahr 2019 beantragte die Nationale Kriminalbehörde in Großbritannien mehrere „Unexplained Wealth Orders“ für drei millionenschwere Immobilien im Gesamtwert von mehr als 80 Millionen Pfund, die angeblich der Tochter und dem Enkel des ehemaligen kasachischen Präsidenten gehören.[6] Das Gericht entschied in einem der Fälle, dass die Argumentation der Behörde fehlerhaft war und auf unzuverlässigen, sowie ungerechtfertigten Annahmen beruhte. Das Gericht unterstrich, dass die Immobilien zwar über komplexe Offshore-Strukturen gehalten würden, dieser Fakt allein aber an sich kein Grund für die Annahme ist, dass unrechtmäßige Geldquellen im Spiel wären, da solche Strukturen aus Gründen der Privatsphäre, der Sicherheit oder aus steuerlichen Gründen genutzt werden können.[7] Nachdem der Antrag abgelehnt wurde, musste die Nationale Kriminalbehörde, also die Allgemeinheit, 1,5 Millionen Pfund an Gerichtskosten an die kasachische Familie zahlen.[8]
Die Reform, die jetzt in Großbritannien verabschiedet wurde, soll es den Behörden ermöglichen, „Unexplained Wealth Orders“ gegen Treuhandvermögen und andere komplexe Eigentumsstrukturen, wie zum Beispiel undurchsichtige Stiftungen, zu erleichtern. Außerdem werden die Kostenvorschriften reformiert, um die Strafverfolgungsbehörden und somit auch die Allgemeinheit vor erheblichen Prozesskosten, nach einer abgelehnten Entscheidung, zu schützen.[9]
Gegenwärtig kann in Luxemburg nur äußerst wenig unternommen werden, um gegen einen höchst verdächtigen Erwerb von Immobilien vorzugehen. Nur wenn die fragliche Immobilie, respektive das Geld zu deren Finanzierung, das Resultat einer Straftat ist oder eine gerichtliche Verurteilung in einem anderen Staat vorliegt, kann die luxemburgische Staatsanwaltschaft den Vermögenswert beschlagnahmen. Egal wie schwerwiegend der Verdacht auch sein mag, die Beweislast obliegt der Staatsanwaltschaft. Bei Ländern, die sich jedoch in einer institutionellen Krise befinden oder die verdächtigte Person in diesem Land politische Macht oder Einfluss ausübt, kann es Jahrzehnte dauern, bis der Staatsanwaltschaft eine Auskunft erteilt wird, oder, wie im Falle der globalen Kleptokratenelite, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass eine solche ehrliche Auskunft überhaupt jemals zustande kommt.
So kommt es, dass man mit den herkömmlichen Ermittlungsmitteln gegen die Flut des korrupten Geldes aus lupenreinen demokratiefeindlichen staatlichen Machtstrukturen, fast machtlos ist. Dies auch besonders weil die Verschachtelungen des Aktionariats auf verschiedenen Niveaus, in unterschiedlichen Gesellschaften, in unterschiedlichen Ländern und dies alles ohne ökonomischen Sinn und Zweck, sondern aus reiner Verschleierungsüberlegung, die nationalen Autoritäten vor eine Mamut Aufgabe stellen. Ohne ein klares Register, das den Immobilienbesitz klar auflistet und ohne die Möglichkeit unkompliziert Beweise zu sammeln, bleiben selbst die strengsten Compliance-Gesetze weitgehend zahnlose Tiger. Ohne ein „Unexplained Wealth Order“ bleiben die staatlichen Behörden bei Verdachts Fällen oftmals mittel- und hilflos und müssen die Untersuchungen einstellen, da sich jegliche Nachforschungen, als zu zeit- und kostenintensiv herausstellen und bei bescheidener Aussicht auf Erfolg nicht zu rechtfertigen sind.
Es ist genau dieses Problem bei der Beschaffung von Beweisen, entweder gegen bestens organisierte Kriminelle, sowie gegen ausländische politisch exponierte Personen, das mit einer solchen legislativen Änderung behoben werden könnte. Im Endeffekt wäre die Einführung einer „UWO“ in Luxemburg nichts Weiteres als ein Umdrehen der Beweislast, die dann nicht mehr bei der staatlichen Behörde liegen würde, sondern im Falle eines konkreten Verdachts, der gerichtlich bestätigt werden muss, es der betroffenen Person obliegt ihre Finanzierungsquellen gegenüber der Allgemeinheit offen zu legen.
Natürlich werden einige wenige luxemburgische Serviceproviders die Befürchtung äußern, dass durch eine solche legislative Änderung das kriminelle Vermögen einfach von Luxemburg in andere Länder verlagert wird, da in dieser Frage kein „Level Playing Field“ besteht. Doch solche legislativen Anpassungen wären auch als eine klare, nachvollziehbare politische Kurskorrektur aus der pseudo-neutralen, menschenrechtsblinden, luxemburgischen Handels- und Finanzpolitik gegenüber Russland und anderen autokratischen Ländern zu verstehen und ein klares Signal, dass die Verfolgung unserer ökonomischen Interessen, in Zukunft, verstärkt unseren elementaren demokratischen Grundwerten unterliegt, ja unterliegen muss!
Das Vereinigte Königreich war jahrelang das Vorbild der liberalen luxemburgischen Finanzplatzpolitik unter Luc FRIEDEN. Wenn nun das einstige Vorbild, die Leichtigkeit einschränkt, mit der Kriminelle und dubiose politisch exponierte Personen aus Drittstaaten ihr Vermögen in Immobilien parken können, sollte Luxemburg folgen, außer man sieht in dem Nichthandeln ein Wettbewerbsvorteil…
Max LENERS
Mitglied der LSAP-Parteileitung
[1] Siehe: The Times, „The London life of Sergey Lavrov’s stepdaughter“, Neil JOHNSTON, 11. März 2022.
[2] Gov.uk, „News story – Government takes landmark steps to further clamp down on dirty money“, 28. Februar 2022.
[3] Economic Crime (Transparency and Enforcement) Act 2022.
[4] Siehe : Criminal Finances Act 2017.
[5] Research Briefing: Unexplained Wealth Orders, Ali SHALCHI, 22. Februar 2022, S. 4.
[6] BBC, „Kazakh family win Unexplained Wealth Order battle over London homes”, 8. April 2020.
[7] Siehe: National Crime Agency v. Baker [2020] EWHC 822.
[8] The Times, „£1.5m legal bill forces rethink over McMafia wealth orders”, 13. Juli 2020.
[9] Siehe: Gov.uk, Policy paper – Fact sheet: unexplained wealth order reforms (web accessible), 4. Mäerz 2022.