Als die USA 1960 das Ziel ausriefen, Menschen auf den Mond zu schicken, investierten sie gezielt in diese Mission, verfolgten diese dann auch konsequent und lösten damit einen Boom an Kreativität und Wertschöpfung aus – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Die staatlich-demokratische Vorgabe einer konkreten Mission erlaubte es schlussendlich, das gesteckte Ziel zu erreichen und dies mit einem Vorsprung an Wissen, der fast bis heute anhält. Die gesellschaftlichen Kräfte für ein gemeinsames Ziel bündeln und das schier Unmögliche dann auch zu erreichen, sollte ein Vorbild[1] bei einer sozial verträglichen Klima- und Energietransition in unserer Zeit sein. Bei den heutigen Herausforderungen spielt die internationale Finanzarchitektur – als Rückgrat der Weltwirtschaft – eine überragende Rolle und gerade hier kann Luxemburg einen positiven Einfluss ausüben, der weit über die eigentliche Größe unseres Landes hinausragt.
Auch wenn Luxemburg sich gerne als „internationaler Vorreiter für grüne und nachhaltige Finanzen“[2] sieht, zeichnet eine Bestandsaufnahme von Greenpeace Luxemburg eine andere Realität. Die 100 größten luxemburgischen Investmentfonds verfolgen eine Anlagestrategie, die im Durchschnitt auf eine Erwärmung bis 2050 von + 4°C hinausläuft. Die Anlagestrategie jedes dritten Fonds entspricht nicht einmal einem Szenario einer Erderwärmung von + 6°C bis 2050![3] Mit anderen Worten: Diese Fonds verfolgen eine Strategie, die eher auf einen Ökozid hinausläuft als mit dem Ziel des Pariser Abkommens[4] überein zu stimmen.
Nun sind diese Investitionen nicht nur ein ökologisches Desaster, sondern drohen auch zunehmend zu einem wirtschaftlichen Desaster zu werden. Die Unternehmen, an denen diese Fonds beteiligt sind, werden im Durchschnitt ihr Kohlenstoffbudget bis 2027 aufgebraucht haben, d. h. die Menge an Emissionen, die ihnen in einem Szenario von unter 2°C bis 2050 zur Verfügung steht, wird in den nächsten Jahren verbraucht sein![5]
Die alten neoliberalen Rezepte[6] würden kurzfristig vielleicht noch ein paar Jahre den Finanzplatz am Leben erhalten (dies aber unter erheblichem Reputationsrisiko für unser Land), deshalb gilt es jetzt als Land Vorreiter auf dem Weg zum klimaneutralen Wohlstand zu werden.
Der Wandel ist da: die Märkte ändern sich, industrielle Prozesse werden angepasst, die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt und Klimaschutz wird zunehmend zum Standortfaktor – auch für Finanzzentren. Die Frage ist wie verhält sich der Finanzplatz Luxemburg in den kommenden Jahren? Bremser oder Vorreiter? Weiterhin Nischenfinanzplatz, der in Punkto Nachhaltigkeit mehr Schein als Sein verkörpert, oder doch Vorreiter und Vordenker auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Mir ist natürlich bewusst, dass ein Drittel unseres Bruttoinlandsprodukts und ein Großteil unserer Steuereinnahmen auf dem Finanzplatz erwirtschaftet werden. Dies sollte uns jedoch nicht in politische Angststarre versetzen. Es werden Investitionen in Höhe von 275 Billionen US-Dollar benötigt, um bis zum Jahr 2050 weltweit Klimaneutralität zu erreichen[7]. Der Finanzplatz Luxemburg sollte, im Verbund mit anderen Finanzzentren, der internationale Pionier und Luxemburg der politische Motor hin zur Klimaneutralität werden. Deshalb muss Luxemburg in Zukunft eine aktive internationale Finanzpolitik verfolgen, die alles unternimmt, damit das 1,5-Grad-Ziel erreicht wird.
Hierfür wäre es nötig, dass Luxemburg auf europäischer Bühne für die politischen Rahmenbedingungen eintritt, die die realen Aktivitäten regulieren, dies zum Beispiel indem über eine reelle Co2-Bepreisung[8] die Ausbeutung und Verwendung von fossilen Brennstoffen unwirtschaftlich gemacht werden.[9] Parallel müssen indirekte Anreize am Finanzmarkt diese Maßnahmen verstärken. Hierzu soll Luxemburg, parallel zu den politischen Rahmenbedingungen in der Realwirtschaft, eine europa- und außenpolitische Finanzpolitik verfolgen, die die historische Verantwortung Luxemburgs und die der anderen Industrienationen in Sachen Klimawandel berücksichtigt und über die kommenden Jahre unter anderem die folgenden Ziele, sowohl außen- als auch innenpolitisch, verfolgt:
1. Finanzaufsichten.
Auf nationaler Ebene könnte der Luxemburger Gesetzgeber alle Filialen der ansässigen Finanzinstitute verpflichten verbindliche Umstellungspläne, die die Klimaneutralität 2050 als Endziel haben und die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, offenzulegen.[10] Solche Umstellungspläne sollten integraler Bestandteil der Jahresbilanz sein und auch in dem Handelsregister publiziert werden, dies damit die Zivilgesellschaft Einblick hat und neben der Finanzaufsicht, als weiteres kritisches Kontrollgremium dienen kann. Die Ziele, Aktionspläne und Meilensteine zur Erreichung dieser Ziele sollten verbindlich festgelegt[11], sowie überwacht werden. Bei nicht Einhalten sollte den Finanzinstituten eine Strafe durch die Finanzaufsicht drohen, so wie dies aktuell bei Verstößen der Finanzinstitute gegen die gesetzlichen Auflagen der Fall ist.
Auf dem internationalem Parket würde das Verfolgen einer klimaneutralen Finanzpolitik von Luxemburg verlangen, für eine Überarbeitung der Eigenkapitalanforderungen der Banken einzutreten, da Klimarisiken aktuell für die Banken nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die EZB veröffentliche im Juli 2022 einen „Klimastresstest“ der Banken. Dieser kam zur Schlussfolgerung: „Although some progress has been made since 2020, the results of the European Central Bank 2022 climate risk stress test show that banks do not yet sufficiently incorporate climate risk into their stress-testing frameworks and internal models.“[12]
Die Eigenkapitalanforderungen der Banken sollten in Zukunft so weit angepasst werden, damit die Banken genügenden Finanzpuffer für das ökologische Systemrisiko vorsehen[13], sowie die Risikogewichtung für bestehende und vor allem für neue Engagements im Bereich der fossilen Energien erhöhen müssen[14]. Würde die Eigenkapitalanpassung nicht den gewünschten Lenkungseffekt erzielen, müsste auch Luxemburg ein Eintreten auf europäischer Ebene für eine Begrenzung der Kreditvergabe an die umweltschädlichsten Projekte und Unternehmen in Betracht ziehen.[15]
2. Schulden erlassen.
Vielen Staaten können sich die nötigen Zukunftsinvestitionen schlicht nicht leisten, da sie entweder eine zu hohe Schuldenlast haben oder nicht über die nötige Bonität auf den Kapitalmärkten verfügen, um Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Luxemburg sollte sich für einen Erlass öffentlicher Schulden einsetzen. Dieser Schuldenerlass muss an die klare Bedingung geknüpft werden, dass er ausschließlich für die Finanzierung entscheidender Klimainvestitionen gelten kann. In Europa würde dies bedeuten, dass die EZB die Schuldenlast der Staaten um den Betrag senken würde, der dem Volumen an neuen Klima-Krediten entspricht, was die Klimainvestitionen letztlich kostenlos machen würde[16].
Auch wenn ein solches Vorgehen in Zeiten höherer Inflation gewisse Risiken birgt und es auch kritische Stimmen zu einem solchen Vorgehen gibt[17], sollte Luxemburg nicht grundsätzlich vor solchen unkonventionelleren Vorschlägen zurückschrecken. Der internationale Klimaschutz ist eine Notwendigkeit und sollte nicht an nationalen Finanzressourcen scheitern.
3. Klimagerechtigkeit durch Steuergerechtigkeit.
Die obersten zehn Prozent der Emittenten setzen pro Kopf im Jahresdurchschnitt etwa 30 Tonnen Treibhausgase frei, während es bei der ärmsten Hälfte der Bevölkerung etwa 1,5 Tonnen sind. Anders ausgedrückt: „Die obersten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung lediglich zwölf Prozent aller Emissionen beiträgt“[18].
Um den Wechsel weg von fossilen Brennstoffen zu beschleunigen und den Zugang zu Kapital für die fossile Brennstoffindustrie zu verteuern, wäre eine progressive verhältnismäßige Vermögenssteuer mit einem Zuschlag für Umweltverschmutzung wohl der richtige Weg. Diese würde nicht nur umweltschädliche Investitionen ökonomisch unattraktiv machen, sondern auch zur Finanzierung der zusätzlichen Investitionen, die für die Abschwächung des Klimawandels notwendig sind, beitragen.[19] Luxemburg könnte eine solche Steuer national einführen und somit als internationales Modell dienen. Mit Verweis auf die nationale Gesetzgebung, könnte Luxemburg glaubwürdig auf der internationalen Bühne für eine solche internationale Steuer eintreten.
4. Schluss mit dem Etikettenschwindel.
Die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Aspekten und guter Unternehmensführung (kurz: ESG) im Kontext von „Sustainable Finance“ soll dazu beitragen, dass Unternehmen Wirtschaft und Gesellschaft im breiten Sinne nachhaltiger machen.[20] Die Verfügbarkeit der „Umwelt“ Daten der ESG-Kriterien und der Klimainformationen ist dabei wahrscheinlich die größte Herausforderung.[21]
Ohne dieses statistische Rohmaterial ist es unmöglich, die notwendigen Zahlenangaben und Information zu erstellen, die für eine aufgeklärte Investitionsentscheidung nötig sind.[22] Die Verfügbarkeit solcher Nachhaltigkeitsinformationen könnte über eine Vereinheitlichung der Nachhaltigkeitsberichte[23] und eine Ausweitung der Berichtspflicht gestärkt werden.[24] Die Nachhaltigkeitsrankings unterliegen, wie die meisten Finanzratings, einem inhärenten Interessenkonflikt. Dieser resultiert aus dem Fakt, dass die Bewerteten selbst Kunden der Bewerter sind. Das heißt, dass die zu bewerteten Unternehmen selbst für die Ratings Geld an die Ratingagenturen zahlen. Eine Ratingagentur hat somit wenig Anreiz schlechte Ratings zu vergeben, riskiert sie dadurch doch Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Seit der Finanzkrise von 2007/2008 wird deshalb eine grundlegende Reform des Ratingmarktes und der Aufbau einer öffentlichen Ratingagentur gefordert – jedoch leider bis jetzt ohne Erfolg[25]. Dieser, bis jetzt erfolglosen Forderung, müsste der Luxemburger Finanzminister neuen Auftrieb verleihen.
Wie bereits erwähnt untersuchte Greenpeace Luxemburg in einer Studie die 100 größten Fonds in Luxemburg. Hierbei wurden auch drei Nachhaltigkeitsfonds untersucht. Einer dieser Nachhaltigkeitsfonds hielt dabei in seinem Portfolio den höchsten Anteil an Vermögenswerten aus schmutzigen Energien aller untersuchter Fonds. Ein anderer Nachhaltigkeitsfonds hatte, unter den 100 analysierten Fonds, den dritthöchsten Anteil an klimaschädlichen Vermögenswerten.[26] Diese Analyse hat deutlich gezeigt, dass auch in Luxemburg, die Nachhaltigkeitskennzeichnung eines Investmentfonds nicht bedeutet, dass er sich durch geringe Klimaauswirkungen und/oder reduzierte Klimarisiken auszeichnet.
Auch wenn sicherlich strengere Regeln eingeführt werden müssen, um das sogenannte „Greenwashing“ einzudämmen, werden solche wohl nicht ganz ausschließen, dass Anbieter von Finanzprodukten weiterhin versuchen werden, sich grüner darzustellen als sie sind. Bei strengeren „Sustainable-Finance“-Vorschriften, strengeren Kontrollen und zukünftigen strafrechtlichen Konsequenzen, würde dieser Etikettenschwindel allerdings sicherlich auf einem wesentlich niedrigeren Niveau stattfinden als heute.[27]
Auch wenn dies nur einige Punkte sind die helfen könnten, unseren Finanzplatz als Mittel zu einem klimaneutralen Wohlstand umzubauen wären diese Vorschläge ein wichtiger Anfang um auch in Sachen Finanzpolitik Verantwortung zu übernehmen.
[1] In Anlehnung an die Mondlandung und in Anbetracht der gewaltigen politischen Herausforderungen unserer Zeit, benutzt die Ökonomin Marianna Mazzucato, im Rückgriff auf die Apollo-Mission, das Bild der „Moonshot-Economy“. Vgl.Mariana Mazzucato: Mission Economy: A Moonshot Guide to Changing Capitalism, 2021. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Buch siehe u.a.: Michael Storper / J Nicholas Ziegler / Antonio José Junqueira Botelho / Darius Ornston: On Mariana Mazzucato’s Mission Economy: a Moonshot Guide to Changing Capitalism, London, Allen Lane, 2021, Socio-economic review 20, S. 1501–1511.
[2] Commentaire de la loi budgétaire 2021 (par article), S. 129.
[3] Vgl. Greenpeace Luxemburg: Investing in Climat Change : A Climate-Related Analysis of the 100 Largest Investment Funds in Luxembourg, Januar 2021.
[4] Das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens vom 12. Dezember 2015 liegt in der Beschränkung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C und im Idealfall unter 1,5°C gegenüber den vorindustriellen Niveaus. Auf der Grundlage der bisherigen Politik beziffert der Weltklimarat die globale Erwärmung jedoch auf etwa + 3,2°C bis zu Ende dieses Jahrhunderts.
[5] Greenpeace, opt. cit.
[6] Vgl. Luc Frieden / Nicolaus Heinen / Stephan Leithner: Europa 5.0: Ein Geschäftsmodell für unseren Kontinent, Campus, Frankfurt, 2016.
[7] Vgl. Magdalena Senn / Achim Grunicke / Joachim Wardenga / Claudia Tober, op. cit., S. 5.
[8] Würde man nur die Finanzwirtschaft, vor allem Banken und Versicherer, strenger regulieren, würden weniger regulierte Finanziers, wie z. Bsp. „Private-Equity“ oder „Hedgefonds“, weiter klimaschädliche Investitionen tätigen, dies natürlich nur solange diese profitable sind.
[9] Magdalena Senn / Achim Grunicke / Joachim Wardenga /Claudia Tober: Die Grenzen von Sustainable Finance – Wie das Finanzsystem zu einem stärkeren Hebel für eine nachhaltige Wirtschaft werden kann, Finanzwende Recherche, Mai 2022, S. 8.
[10] Vgl. Nikki Eames / David Barmes: The green central banking scorehard – 2022 edition, Positive Money, November 2022, S. 9.
[11] Vgl. Virginie Wauquiez : Finance Durable : Après les promesses, place à l’action !, in Revue Banque N°877, Februar 2023, S. 58 – 59.
[12] EZB, 2022 Climate Risk Stress Test, Juli 2022, S. 53.
[13] Die aktuellen fossilen Vermögenswerte, welche in naher Zukunf zu „gestrandeten“ (stranded, wertlosen) Vermögenswerte werden, sollen sich auf 6 Billionen bis 20 Billionen USD belaufen; Vgl. Ernst Ulrich von Weiszäcker / Anders Wijkman: Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen, Club of Rome, 2017, S. 228.
[14] Vgl. Nikki Eames, David Barmes: opt. cit., S. 9.
[15] Vgl. Nikki Eames, David Barmes: opt. cit., S. 9.
[16] Vgl. Baptiste Bridonneau : Des annulations de dette publique par la BCE : lançons le débat, Terra Nova, 18. April 2020.
[17] Vgl. Philippe Martin / Éric Monnet / Xavier Ragot : Que peut encore faire la Banque centrale européenne ?, Note du conseil d’analyse économique n°65, Juni 2021, S.8.
[18] Vgl. Lucas Chancel / Thomas Piketty: Dekarbonisierung erfordert Umverteilung, In Greta Thunberg / Michael Bischoff / Ulrike Bischoff, opt. cit., S. 445.
[19] Vgl. Lucas Chancel / Thomas Piketty: opt. cit., S. 449.
[20] Vgl. Magdalena Senn / Achim Grunicke / Joachim Wardenga / Claudia Tober, op. cit., S. 3.
[21] „The major obstacle for integrating human rights in core business operations is still the lacking availability of better and more reliable data from companies.“ In Finance & Human Rights asbl, Luxembourg Geneva Center for Business and Human Rights / Löning – Human Rights & Responsible Business GmBH: Sustainable Finance and Human Rights: How are European financial instiutions addressing human rights in their activities?, 2022, S.26; Vgl. Jean-Pierre Gomez, Finance verte et régulation, que faut-il savoir ?, Revue cyber & conformité n°6/7, November 2022, S. 8.
[22] „Greater standardisation of reporting and disclosure is also needed.“ In Finance & Human Rights asbl, Luxembourg Geneva Center for Business and Human Rights / Löning – Human Rights & Responsible Business GmBH, op. cit., S.26.
[23] Vgl. Ghislain Périsse : Choix d’investissement : Une boussole pour orienter au mieux les ambitions ESG, Revue Banque N° 874, Dezember 2022, S. 58 – 59.
[24] Der europäische Gesetzgeber arbeitet gerade an der Überarbeitung des Corporate Sustainability Reporting.
[25] Vgl. Magdalena Senn / Achim Grunicke / Joachim Wardenga / Claudia Tober: op. cit, S. 13.
[26] Vgl. Greenpeace Luxemburg, op. cit.
[27] Vgl. Magdalena Senn / Achim Grunicke / Joachim Wardenga / Claudia Tober, op. cit., S. 17.