Fabricio Costa und Max Leners.
Warum eine Vermögenssteuer für Hochvermögende nicht nur die Steuergerechtigkeit, sondern auch das gute Zusammenleben und unsere Demokratie stärken würde.
„The growth of inequality […] can also be linked in many ways to the erosion of democracy“, schrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem rezenten Kommentar im Guardian[1]. Die Steuerpolitik begünstigt die Reichen, so Stiglitz weiter und wirft die Frage auf: „In this context […] should we be surprised that so many people view the growing concentration of wealth with suspicion, or that they believe the system is rigged?“.
Stiglitz hat recht: Eine fundamentale Grundlage für das Vertrauen in demokratische Institutionen ist die Steuergerechtigkeit. Gibt es sie nicht, so entsteht der berechtigte Eindruck, dass nicht alle in fairem Maße zum Gemeinwohl beitragen. Denn Steuern sind kein Selbstzweck, sondern die Grundlage für die Finanzierung unseres Zusammenlebens und von öffentlichen Dienstleistungen, von denen wir alle profitieren. Außerdem benötigen wir massive finanzielle Ressourcen, um in Bereichen wie der Bildung, dem Wohnungsbau, der Mobilität und dem Klimaschutz in den kommenden Jahren weiter massive Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. Um dies fair zu finanzieren, führt ein Weg über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Privatpersonen.
Bei der Diskussion um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer geht es, anders als es Kritiker gerne behaupten, nicht um Neid. Im Gegenteil, gemäß dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, soll jeder gemessen an seinem Wohlstand, einen entsprechenden Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Die steuerliche Leistungsfähigkeit zeigt sich im Einkommen, im Profit, aber natürlich auch im Vermögen.
Viele Hochvermögende sind bereit, höhere Steuern zu zahlen – weil sie einen Sinn für Gerechtigkeit haben und Verantwortung für die Gesellschaft tragen wollen. So setzt sich z.B. im deutschsprachigen Raum ein Zusammenschluss aus Vermögenden unter der Initiativetaxmenow für mehr Steuergerechtigkeit ein und thematisiert dabei auch die Einführung einer Vermögenssteuer für Privatpersonen.
Damit eine solche Wiedereinführung der Vermögenssteuer gelingen kann, sollte man allerdings aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
Rückblick: eine Vermögenssteuer ohne Wirkung
Die Idee der Vermögenssteuer ist keineswegs neu. In Luxemburg gab es in der Vergangenheit bereits eine Vermögenssteuer auf das Nettovermögen von Privatpersonen, welche von 1934 bis 2005 erhoben wurde. Dies war jedoch eine Steuer, die statt Hochvermögenden vor allem durchschnittliche Steuerzahler traf und von Vielen über die Nicht-Deklarierung ihres Vermögens umgangen wurde[2]: „la population résidente n’est soumise au titre de l’impôt sur la fortune que des biens et des valeurs d’un montant égal au prix des voitures particulières immatriculées au Luxembourg“[3]; somit handelte es sich um eine im Endeffekt wirkungslose Steuer.
Im Jahr 2003 lieferte der Comité pour le développement de la place financière einen weiteren „Grund“ für die Abschaffung der Vermögenssteuer für Privatpersonen. In einer Analyse entwickelte das Komitee Wege, um die Verwaltung des persönlichen Vermögens von sehr vermögenden Privatpersonen – den sogenannten „high net worth individuals“ – in Luxemburg zu fördern. Zu diesem Zweck empfahl man eine grundlegende Neugestaltung des Steuersystems für Vermögen[4].
Diese Argumentation schien zu verfangen, so liest man im Bericht der Abgeordnetenkammer zur Abschaffung der Vermögenssteuer: „le projet de loi répond de la sorte à une demande de la communauté bancaire luxembourgeoise qui souhaite rendre encore plus attrayant le système luxembourgeois des impôts directs dans un environnement doté déjà de règles fiscales avantageuses au niveau des droits de succession“[5], um dann sofort wieder zu relativieren „l’objectif primaire du projet de loi n’est pas d’attirer une foule d’étrangers fortunés“ und zu schlussfolgern „la nouvelle imposition des revenus de l’épargne représente une réduction substantielle de la charge fiscale sur les revenus concernés et par là un encouragement certain de l’épargne“[6] – und wer möchte sich schon solchen lobenswerten Absichten in den Weg stellen.
Statt also aus der wirkungslosen Steuer eine sinnvolle Vermögenssteuer zu machen, wurde diese abgeschafft. Dabei gab es damals auch Stimmen, die vor der Abschaffung der Vermögenssteuer für Privatpersonen warnten. So etwa der damalige Direktor der Administration de l’Enregistrement et des Domaines, Paul Bleser, welcher 2004 im Lëtzbuerger Land schrieb: „L’abolition de l’impôt sur la fortune constituerait un pas fatal dans la mauvaise direction: À déconseiller !“[7].
Ungleiche Verteilung der Vermögen in Luxemburg
Auch wegen der Abwesenheit einer effektiven Vermögenssteuer klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. In Luxemburg konzentriert sich das private Vermögen in sehr wenigen Händen.[8] 2017 hat die luxemburgische Zentralbank die Anteile am gesamten Nettovermögen der Haushalte analysiert. Laut dieser Studie besaßen 2014 in Luxemburg die reichsten 5 % der Haushalte rund 37 % des Gesamtvermögens, während die reichsten 20 % fast zwei Drittel des Gesamtvermögens besaßen. Dies entspricht einer starken Konzentration an der Spitze der Nettovermögensverteilung. Im Gegensatz dazu ist hervorzuheben, dass die 50 % der Haushalte mit dem geringsten Vermögen weniger als 9 % des gesamten Nettovermögens besaßen.[9]
Bei unveränderter Steuerpolitik dürfte die Vermögenskonzentration weiter anwachsen[10]: Die Vermögenden müssen einen erheblich kleineren Teil ihres Einkommens für Primärbedürfnisse aufwenden und können somit einen größeren Anteil ihres Einkommens „sparen“ als der Rest der Bevölkerung. Dies erlaubt es ihnen durch klassisches Sparen oder gezieltes Investieren mehr Vermögen anzuhäufen, was wiederum zusätzliches Einkommen generiert und die Vermögenskonzentration weiter verschärft.[11]
All dies zeigt, dass unser Steuersystem im Sinne einer gerechteren Besteuerung von hohen Vermögen reformiert werden muss. Tatsächlich würden alle davon profitieren. Denn sogar Vermögende selbst haben ein großes Interesse daran, die „Ungleichheit“ in einem gesellschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten. Ein Multimillionär wäre nichts ohne die Infrastruktur, die ihn mit dem Rest der Welt verbindet, das Kanalsystem, über das das Abwasser abläuft, die Lehrer, die seinen Steueranwälten und Ärzten das Lesen beigebracht haben, ganz zu schweigen von den Gesetzen und Gerichten, die sein Eigentum schützen! [12] Darüber hinaus bringt auch das größte Vermögen der Welt langfristig nichts mehr, wenn es dem Staat an finanziellen Ressourcen fehlt, um genügend in Klimaschutz zu investieren und somit die Klimakrise abzuwenden.
Auch bei den Vermögenden müsste also die Einsicht einkehren, dass eine langfristige Absicherung ihres Vermögens nur über eine gerechtere Steuerpolitik und eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten gelingen kann.
Wie die neue Vermögenssteuer aussehen könnte
Damit man wirklich von einer Vermögenssteuer im wortwörtlichen Sinne sprechen kann, sollte es hohe persönliche Freibeträge geben, damit nicht die Mittelschicht, sondern die wirklich Vermögenden besteuert werden. Déi gréng schlagen vor, den Wohnsitz von der Steuer freizustellen und einen zusätzlichen Freibetrag von einer Million Euro vorzusehen[13], während die LSAP einen Freibetrag von 2,6 Millionen Euro in ihrem Walprogram vorschlägt[14]. Berücksichtigt man, dass das durchschnittliche Nettovermögen eines Haushalts bei ungefähr 900.000 Euro liegt[15], visieren beide Parteien ganz klar die Hochvermögenden und möchten von ihnen eine, gemessen an ihrem Vermögen bescheidene, für die Gesellschaft aber umso wertvollere und bedeutendere, Beteiligung an der Finanzierung unseres Gemeinwohls einfordern.
Neben den hohen Freibeträgen sollte bei der Ausarbeitung der Vermögenssteuer sichergestellt werden, dass es zu keiner Substanzbesteuerung von Unternehmen kommen kann. Hierfür müssen Verschonungsregeln für Vermögen, das für die Aufrechterhaltung des Betriebs dient (Betriebsvermögen), vorgesehen werden. Niemand soll gezwungen werden, Teile des Betriebs zu veräußern, nur um die Vermögensteuer bezahlen zu können. Hinzu kommt, dass die Vermögenssteuer immer nur auf das Nettovermögen anfällt, was bedeutet, dass etwaige Schulden heraus gerechnet werden. Zum anderen, neben den Freibeträgen, dem Sicherstellen des Betriebsvermögens, sollte auch der Steuersatz maßvoll und dementsprechend niedrig sein. Hohes Vermögen soll nicht bestraft, sondern angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden.
Kritiker der Vermögenssteuer argumentieren, die Vermögenssteuer sei unverhältnismäßig weil sie einer doppelten Besteuerung entspreche, da auf das besteuerte Vermögen vorher bereits Einkommenssteuer erhoben wurde. Hierzu gibt es zwei Dinge zu sagen: zum einen gibt es auch im Kontext der Mehrwertsteuer heute schon eine „doppelte Besteuerung“, da auch hier bereits Einkommenssteuer gezahlt wurde. Zum anderen fungiert die Vermögenssteuer als Korrektiv, um gegen exzessive Vermögensungleichheiten vorzugehen, die andere Steuern, darunter auch die Einkommenssteuer, nicht zu verhindern wissen.
Ein weiteres Argument gegen die Vermögenssteuer sei, dass das erhobene Geld weniger in der Privatwirtschaft investiert wird. Hier muss man unterstreichen, dass wenn der Staat mit dem Geld aus der Vermögensteuer z. Bsp. in Infrastruktur investieren würde, davon zuerst einmal die Handwerksbetriebe profitieren würden. Die Vorstellung wonach die Einnahmen einer Vermögenssteuer dem Wirtschaftskreislauf entzogen wären ist falsch; vielmehr könnten diese staatlichen Mehreinnahmen, mehr staatliche Investitionen auslösen, welche wiederum private Investitionen nach sich ziehen würden. Das Geld bleibt also in der Wirtschaft, mit dem Unterschied, dass es der Allgemeinheit dient.
Auch um den Wechsel weg von fossilen Brennstoffen hin zu Erneuerbaren zu beschleunigen und den Zugang zu Kapital für die fossile Brennstoffindustrie zu verteuern, wäre eine progressive verhältnismäßige Vermögenssteuer mit einem Zuschlag für Umweltverschmutzung ein möglicher Weg. Diese würde nicht nur den Umweltimpakt ökonomisch unattraktiv machen, sondern auch zur Finanzierung der zusätzlichen Investitionen, die für die Abschwächung des Klimawandels notwendig sind, beitragen.[16] Luxemburg könnte eine solche Steuer national einführen und somit als internationales Modell dienen und mit Verweis auf die nationale Gesetzgebung, könnte Luxemburg glaubwürdig auf der internationalen Bühne für eine solche internationale Steuer eintreten.
Aktive Fiskalpolitik statt laissez-faire
Als Gegenpol der Befürworter einer aktiven Fiskalpolitik treten derzeit jene auf, die argumentieren, dass Steuersenkungen das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen würden, so dass der Staat am Ende mehr Steuern einnehme. Erhard Eppler merkte hierzu bereits an: „Würde die Gleichung: weniger Steuern gleich mehr Steuern wirklich stimmen, so gäbe es in der Tat kein vernünftiges Argument gegen kontinuierliche Steuersenkungen bis in die Nähe der Nullgrenze. Und jeder Politiker, der die Steuern nicht senkt, wäre einfach dumm.“[17]
Ein steuerpolitisches laissez-faire ist deshalb der falsche Weg. Die großen Herausforderungen unserer Zeit erfordern eine aktive Steuerpolitik, die nicht die Ideen der 80er Jahre neu aufwärmt, sondern neue Wege geht und die Zukunft gestaltet.
Die Einführung einer Vermögenssteuer für hochvermögende Privatpersonen wäre im Sinne einer aktiven Fiskalpolitik ein geeignetes steuerpolitisches Instrument, das dem luxemburgischen Staat wieder ein Mittel in die Hand gibt, um dem Anstieg der sozialen Ungerechtigkeiten nachhaltig entgegenzuwirken, Fairness bei der Finanzierung staatlicher Aufgaben sicherzustellen, dringend nötige Zukunftsinvestitionen zu finanzieren und dabei einen wichtigen Beitrag zum guten Zusammenleben und für eine stärkere Demokratie zu leisten.
Publiziert im Tageblatt: https://www.tageblatt.lu/headlines/steuergerechtigkeit-als-grundlage-der-demokratie-warum-eine-vermoegenssteuer-fuer-hochvermoegende-nicht-nur-die-steuergerechtigkeit-staerken-wuerde/
[1] Vgl. Joseph Stiglitz : Salvaging global democratic politics requires far-reaching economic reforms, Guardian, 1. September 2023.
[2] Der Steueranwalt Alain Steichen schrieb bereits 1994 treffend: „À l’heure actuelle, l’imposition de l’épargne participe davantage à la nature d’un don des citoyens épris de civisme fiscal, plutôt que d’un impôt prélevé en vertu d’une loi“. Vgl. Alain Steichen : La justice dans l’impôt, Cahiers de Droit II, Publications du Centre Universitaire, Luxembourg, 1994, S. 244.
[3] Vgl. Jeannot Krecké : Rapport sur la Fraude Fiscale au Luxembourg, 1997, S. 149.
[4] Rapport de la Commission des Finances et du Budget, 19 Dezember 2005, sur le Projet de Loi n°5504, portant introduction d’une retenue à la source libératoire sur certains intérêts produits par l’épargne mobilière; abrogation de l’impôt sur la fortune dans le chef des personnes physiques et modification de certaines dispositions de la loi modifiée du 4 décembre 1967 concernant l’impôt sur le revenu, S. 2.
[5] Ibid., S. 3.
[6] Idem.
[7] Vgl. Paul BLESER : Un modèle pour l’impulsion de l’habitat locatif, d’Lëtzebuerger Land, 27. Mai 2004.
[8] Wenn man den Gini-Koeffizienten als Vergleichsmaßstab für die Vermögens- und Einkommenskonzentration heranzieht, liegt er bei 0,65 für die Vermögenskonzentration und bei 0,31 für die Einkommenskonzentration.
N.B. Der Gini-Koeffizient ist das statistische Instrument zur Messung des Konzentrationsgrades von Einkommen / Vermögen, indem er den Prozentsatz der Individuen nach dem Prozentsatz des Einkommens / Vermögens, über das sie im Verhältnis zum nationalen Einkommen / Vermögen verfügen, berechnet. Er ist 0 für vollkommene Gleichverteilung und 1 für vollkommene Ungleichverteilung, d. h. wenn nur eine Person das gesamte Einkommen hat.
Vgl. Banque centrale du Luxembourg : Bulletin BCL 1-2017, S. 31. und CSL : Dialogue – Panorama social 2021, S. 12.
[9] Vgl. Banque centrale du Luxembourg : op. cit., S. 32.
[10] „ […] la répartition des richesses qui se développe en faveur des ménages les plus aisés“. Vgl. Chambre des salariés: Panorama social 2023, S. 51.
[11] Vgl. Emmanuel Saez / Gabriel Zucman / Frank Lachmann : Der Triumph der Ungerechtigkeit – Steuern und Ungleichheit im 21. Jahrhundert, Berlin: Suhrkamp, 2020, S. 21.
[12] Vgl. Emmanuel Saez et al : op. cit., S. 12.
[13] Vgl. Déi Gréng : Eise Walprogramm 2023, S. 88.
[14] Vgl. LSAP : Pour un monde juste et équitable – LSAP Programme électoral, élections législatives 2023, S. 97.
[15] Vgl. Dylan Theis: Zoom sur les inégalités du patrimoine au Luxembourg, improof.lu, 11. Januar 2023.
[16] Vgl. Lucas Chancel / Thomas Piketty: Dekarbonisierung erfordert Umverteilung, In Greta Thunberg / Michael Bischoff /Ulrike Bischoff: Das Klimabuch von Greta Thunberg, Fischer, 2022, S. 449.
[17] Vgl. Erhard Eppler : Auslaufmodell Staat, Suhrkamp, 6. Auflage, 2015, S. 39.